Ich habe lediglich Asperger.
Da war es nun, dieses Interview von mir. Irgendwie befremdlich sich selber zu sehen, sich selber zuzuhören, sich selber wahr zu nehmen. Aber viel zu selten wird über dieses Thema gesprochen, viel zu selten wird hingeschaut und nachgefragt, viel zu oft sucht man nach Menschen die der Masse entsprechen.
Solche die angepasst sind, solche die sich zu Themen äussern aber immer nur im Rahmen des Möglichen. So, dass sich jeder am Ende nicht mehr liebt, weil er sich verstecken musste, hinter der Masse mit dem aufgedrückten «sag uns Deine Meinung mit unseren Worten» jaja – viel Fake und viel Wind.
Ich habe in meiner "Karriere" als Asperger viel erlebt. Man hat mich in Therapien gesteckt, man wollte mir den Teufel austreiben lassen und man wollte, dass ich mich anpasse, lerne und mich verändere – aber man wollte niemals nie, dass ich ICH bin! Sich selber am Ende verlieren zu müssen um anderen Gefallen zu können hat mir fast das Genick gebrochen. Jahrelange Fragen die ich unterdrücken musste «warum bin ich nicht wie alle anderen, warum fallen mir Dinge viel schwerer als andere, warum kann ich nicht einfach so sein wie man mich haben wollte» um nur einen kleinen Teil davon zu nennen!
Früh habe ich gelernt auf eigenen Beinen zu stehen. Unmut machte sich breit, weil ich schon in der Schule eher eine Randgruppe, wenn nicht gar eine Randbemerkung war. So haben mich Lehrer nicht ernst genommen oder mein Wissen so in Frage gestellt (und ich wusste vieles, aber keiner glaubte mir, dass ich es selber erlernt habe), dass ich selber nicht mehr glauben konnte was ich wusste und sah.
Ich habe von jeglichen Arbeitgebern einen Maulkorb verpasst bekommen, sie haben mich Mundtod gemacht – mir nicht mehr erlaubt mein Wissen einzubringen. Soweit, dass ich am Ende zusammengebrochen bin, weil mein Kopf kaum noch wusste was oben und/oder unten ist. Das sind Bruchteile einer eher schwierigen Laufbahn.
Jahrelang war ich als Selbständige Informatikerin in diversen Bereichen unterwegs, da wurde ich geliebt und gefeiert. Es war auch nicht wichtig ob ich ein Teamplayer oder ein Sozial-Zuvorkommender-Geselle bin, sondern die Fachlichen und Sachlichen Kompetenzen waren die Königsdisziplin und darin bin ich gut! Ich optimiere was ich kann und bereichere mich am Ende nicht mal selbst! Denn dann, wenn ein Projekt angelaufen war, bin ich ja bereits weitergezogen mit meinem Wissen. Von Dannen so zu sagen...
Ich lernte mich immer besser kennen, wusste was ich gut konnte und was ich nicht kann. Ich habe mich jeden Tag neu herausgefordert und eine Challenge in mir gesucht. Ich habe in meiner Kindheit etwas Wichtiges gemerkt «Menschen bleiben stehen, sie suchen nicht nach Lösungen und optimieren sich kaum, sie warten in der Mehrheit ihrer Zeit darauf, dass andere für sie etwas ändern» da war und bin ich komplett anders gestrickt. Wenn ich auf dem einen Weg nicht weiterkomme, dann suche ich den Weg beim zweiten Mal nach Optimierungsmöglichkeiten ab, ich optimiere also mich, analysiere den Weg und gehe das kommende mal darauf ein – ergo ich verbessere mich und mein Potenzial.
Ich konnte also bereits in jungen Jahren feststellen, dass es meinem Umfeld nicht möglich war auf mich einzugehen, habe festgestellt, dass die meisten Menschen immer dieselben Fragen stellen, wenn sie am Morgen aufstehen oder sich mal wieder im Büro oder in der Stadt treffen «wie geht es dir?» um nur ein Beispiel zu nennen. Die Antwort der meisten Menschen war «es geht mir gut und dir?» ok – ich habe also angefangen Gesichter lesen zu lernen (und bitte glaubt mir, als Asperger ist Emotionen Lesen wohl eines der schwierigsten Unterfangen denen ich jemals in meinem Leben begegnet bin) die meisten Mundwinkel der befragten Menschen bewegen sich nach oben (in die Richtung der Augen), also Interpretierte ich das als «positiv» weil die Antwort «es geht mir gut» ja was Gutes beinhaltet und so entstanden in meiner Lernphase, im älter werden immer mehr solcher Puzzleteile welche ich dann zusammensetzen konnte. So konnte ich mit der Zeit Soziale Gespräche mitführen – haha, oder sagen wir es so – ich konnte bei Oberflächlichen Dingen sehr gut mitreden – viel Inhalt hatte es da ja nicht.
So habe ich laufen gelernt.
Nur weil ich gelernt habe so zu sein wie die meisten Menschen, heisst das nicht, dass ich es verstehe oder gar empfinde. Aber warum sollte ich darauf warten von Leuten ernst genommen zu werden, wenn sie mir nicht entgegenkommen?
Eine Eigenschaft die man als Asperger hat – jede Mathematische Formel hat ein Anfang und ein Ende. Der Weg zum Ziel (also zum Total) ist nicht immer derselbe, aber das Ergebnis immer einig. Ich kann heute mit komplexen Formeln in meinem Kopf jonglieren, benötige aber in den einfachen Rechnungen wie das 1x1 noch heimlich meine Finger in der Hosentasche um an ein Ergebnis zu kommen. Und so adaptiere ich das auf mein Umfeld, mein Leben – manchmal brauche ich für einen «einfachen» Weg doppelt so lange und für einen komplexen nur die Hälfte der Strecke.
Dieses Interview entspricht ganz und gar nicht mir als Asperger. Lieber würde ich mich in einen leeren Raum ohne Menschen zurückziehen. Ich würde immer den Rückzug wählen, aber ich habe eben auch gemerkt, dass am Ende nur derjenige weiterkommt, der sich Gehör verschaffen kann. Und wenn ich mit diesem Interview auch nur 1% aller da draussen erreicht habe, so ist es das wert gewesen, dass man wieder einmal darüber nachdenkt, dass es Unterschiede gibt in unserer Gesellschaft. Die Masse nicht die ist, die stark ist durch Intelligenz, sondern vor allem um sich zu verstecken, hinter diesem und jenem.
Und nein, Asperger kann man nicht heilen! Man kann sich auch nicht einfach mal so zusammenreissen und sich der Gesellschaft anpassen. Es ist absolut unnötig sich der schwächeren Gesellschaft anzupassen, denn am Ende zählt auch hier das Ergebnis.
Wer auch immer da draussen «Einsam» ist – geniesst dieses Gefühl und denkt daran «Selig sind die geistig Armen».
PS: Danke, dass ihr lernen wollt
The Aspi
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