Wenn die Psyche mit-altert...
- Prisca Santschi
- 15. Aug.
- 6 Min. Lesezeit
Wir alle werden älter und wir werden irgendwann eine Vergangenheit sein. Dazu braucht es keine Studien und auch keine weiteren Anti-Aging Produkte. Ich habe mich nie gross um mein Alter geschert, es ist mir auch heute so ziemlich egal und fällt nicht ins Gewicht. Mein Körper erinnert mich dank der Spiegel im Haushalt immer wieder mal daran, dass ich faltiger und somit älter werde. Aber viel mehr verspüre ich den Alterungsprozess meines Gehirns. Schnelles auffassen von mehreren Sachen gleichzeitig ist zwar immer noch möglich, diese aber innert Sekunden zu eruieren, sie richtig zu-/ oder einzuordnen fällt schwerer. Kann die Psyche also mit-altern? Ich unterhalte mich einen kurzen Moment mit Chat GPT und bin positiv gestimmt.
Der psychische Alterungsprozess wird eher aufgewertet, denn die Kristalline Intelligenz (Erfahrungswissen, Sprachverständnis) bleibt vorhanden und hat wie Kaugummi was Zähes – lebt also länger. Hingegen nimmt die Fluide Intelligenz (logisches Denken, Problemlösungsfähigkeit) schneller ab. Wir sind also in der Kognitiven Veränderung im Altern gar nicht so schlecht bestückt. Wenn ich mir die Emotionale Sachlage anschaue, dann wird’s noch besser – man wird im Alter nicht nur Weiser, sucht sogar viel mehr soziale Aspekte raus, welche im Endergebnis auch die Kognitive Seite wieder stärkt und unterstützt. So werden wir im Alter nicht nur sozialer und gesprächiger, sondern viel mehr auch zufriedener, Lebenszufriedener.

Was aber ist denn nun wirklich los mit der Psyche und ihrer Gesundheit? Unser Körper wird älter, das Immunsystem wird nicht besser und die Angst vor Krankheiten wächst. Die "Faltigkeit" bringt Krankheit, Einsamkeit und soziale Isolation mit sich.
Wow, was für eine grossartige Voraussetzung. Der Körper wird älter, die Psyche aber Weiser, es kommt mir vor, als würden sich die beiden im Ping-Pong duellieren. Ein ständiges Hin und Her zwischen Weisheit und Krankheit.
Am Ende gewinnt die psychische Resilienz, denn wir können im Alter besser mit Krisen umgehen, das Langzeitgedächtnis ist das, was uns laut Studien bis zum Ableben erhalten bleibt. Wenn wir es also schaffen, unsere Persönlichkeit wie auch die Entwicklung dieser möglichst lange aufrecht zu erhalten, dann sind wir Verträglicher mit dem, was kommt.
Wir reflektieren zwar mehr, sind aber gelassener den Dingen gegenüber welche uns in den jungen Jahren noch ganz «aus dem Häuschen» gebracht haben.
Achtsamkeit! Achtsam sein mit sich und dem eigenen Sein. Klar ist, dass unsere Psyche älter wird, genauso wie unser Körper. Es gibt Veränderungen in der Psyche, sie sind eine Chance, denn die geistige, wie auch die emotionale Reife unterstützt, unsere Gelassenheit den Falten gegenüber. Während der Unterhaltung mit Chat GPT frage ich mich gerade, warum die jüngere Generation es so eilig hat, älter zu werden.
Selbständigkeit ist ein zentrales Element. Selbst- und das am liebsten ständig. Ich kann es absolut verstehen und nachvollziehen, dass junge Menschen älter sein möchten (ich war ja auch mal Teil davon), weil sie denken sie seien danach Unabhängig und können alles machen, was sie wollen, was ihnen lieb ist. Ohne ständig einen Erwachsenen nach A, B oder C Fragen zu müssen. Und dann werden sie Erwachsen, älter und wollen wieder jung sein, weil das älter werden dann doch nicht nur rosarot ist und Pink Panther sowieso nur eine Fabelfigur.
Das war alles eine Farce, nichts von dem was man dachte zu sein ist man geworden – denn am Ende ist die Spirale der Abhängigkeit nicht das Erwachsen sein, oder das wieder jung sein wollen – viel mehr die Tatsache, dass wir am Ende nicht lebend aus der Sache rauskommen – wir sterben. Logisch wäre also, wenn die Psyche eines älteren Menschen mit dem Körper eines heranwachsenden Teenagers verbunden würde.

Dann hätte man Wissen und Kraft vereint und die Energie würde in ein unermessliches Steigen.
Hulk und Harry Potter wären sozusagen vereint und wir könnten die Welt… gerade ruft meine Psyche STOP! Und mit dem weiterschreiben wird mir immer klarer, wäre es eben genauso wie ich es versuche zu verbinden, mit Hulk und Harry Potter, wären die Kräfte von Körper und Geist zwar stark aber nicht mehr steuerbar und die Welt würde in einer Apokalypse enden.
Und ist es nicht genau das, was wir alle versuchen, dem Alterungsprozess entgegenzuwirken. Es ist uns bis heute noch nicht gelungen auf immer und ewig leben zu können. Wir nutzen die Energie die wir als Teenager besitzen nicht in das Leben, sondern viel mehr in das Streben nach dem älter werden - jünger bleiben wollen. Im Alter investieren wir die so schon schwindende Energie ins jünger sein wollen oder in den Alterungs-Stop.
Erst in der Phase des sichtbaren, körperlichen Zerfalls lernen wir zu geniessen, mit uns zufrieden zu sein, mehr Ruhe und Gelassenheit dem Ableben gegenüber zu haben. Wir fürchten uns nicht mehr davor, sich eines Tages von der Welt und dem Leben zu verabschieden, denn erst jetzt ist uns wirklich bewusst, was es heisst im Moment zu leben, zu geniessen und nicht nach was anderem streben zu wollen. Ist das alles nicht eine grosse Farce – und damit ist nicht die aus Hackfleisch hergestellte Füllung gemeint - nein, viel mehr das Theater, welches von der Geburt bis zum Ableben stattfindet, also das, was dazwischen liegt und Leben genannt wird.

Wir sind auf eine bestimmte Zeit lebendig, wir haben nur einen Moment des Hierseins und streben danach Geld zu verdienen, um Produkte zu kaufen, welche uns jung halten, jung aussehen lassen und die Jugend zielt darauf auf ab, sich älter fühlen zu wollen, Selbstständig zu sein, Entscheidungen treffen zu können, eigenes Geld zu verdienen um sich dann am Ende, auch wieder jung zu fühlen, jung auszusehen…
ein ewiger Kreislauf, ein Kreislauf welche unsere Intelligenz bereits im älter werden schmälert, denn keiner hat es bis anhin geschafft den Menschen bereits bei der Geburt beizubringen, dass nicht das was kommt wesentlich und wichtig ist, sondern das was ist.
Wir wollen Wissen aufbauen, wir wollen forschen, wir wollen Geld verdienen, wir wollen Macht, wir wollen unsterblich sein, wir rennen einem Trugschluss hinterher. Am Ende sitzen wir in einer Community zusammen und bedauern diejenigen (da wir ja nun Weiser geworden sind, im Alter, mit dem altern) die danach streben, was wir heute besser wissen, dass der Moment das einzige ist was zählt.
Die kostbarste Zeit ist am Ende doch die Farce, denn sie liegt genau dazwischen und wer das früher als andere kapiert, dass es um genau das geht, der hat am Ende mehr vom Leben, denn die Lebendigkeit ist der Moment im Sein. Der Weg, nicht das Ziel, der Tod, nicht das Leben.
Ich kann heute also mit einer Genugtuung sagen, dass die Psyche mit-altert. Mein Gehirn sich mit dem älter werden, wie ein hängengebliebener Kaugummi am Schuh anfühlt. Meine Reaktionsfähigkeit nachlässt, weil der Körper nicht mehr die Dehnung mit sich bringt, welche sie benötigt, um einen reaktionsschnellen Ausfallschritt tätigen zu können. Und ja, vielleicht haben wir genau deswegen öfter mit Depressionen zu kämpfen, weil wir jetzt erst realisieren, was wir in jungen Jahren noch nicht sehen konnten. Am Ende ist es nicht die Einsamkeit, die das Altern erschwert, viel mehr das nie gelernte, zuhören können, wenn man noch vor Energie strotzt. Die Psyche altert, ich freue mich auf die Weisheit, die mir damit in den Schoss fallen wird und ich freue mich, dass ich heute etwas länger brauche, bis meine Münze ins «Aha-Erlebnis» durchgedrungen ist, denn sie sagt mir, dass ich dem Leben näher bin wie dem Tod. In diesem Sinne, setzt euch einfach mal raus und hört den Menschen zu, die unser Leben bereits gelebt haben, wir können so viel früher lernen, was es heisst, wenn die Psyche altert. Der Stress wird weniger und der Moment des Lebens wird grösser – Milchbuchrechnung: wir werden lebendiger, beim Nichtstun!
Wir brauchen keine Community, welche die älteren Menschen vor der Einsamkeit bewahrt, wir brauchen viel mehr Zuhörer, die von denen lernen wollen, die bereits wissen was kommt, die Mischung machts. Aus einer einfachen Frage «ob die Psyche denn auch mit-altert» ist in meinem Kopf eine ganze Studie entstanden. Ich freue mich an einem Ort leben zu dürfen, an dem ich umgeben bin von Harley-fahrenden-Wissenstransmittern (und mit dem Harley meine ich den Rollator), welche öfter vor meinem Balkon stehen bleiben, einen kurzen Schwatz halten und mir zu mehr Lebendigkeit verhelfen als ich es mir noch vor dem Schreiben dieser Zeilen bewusst gewesen ist.
Am Ende sollten wir nur eines wollen, dem Leben mehr Inhalt geben, nicht mehr Jahre. me!
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