Eine Entscheidung
- Prisca Santschi
- 30. Aug.
- 4 Min. Lesezeit
Es ist im Leben manchmal die Entscheidung, die zu einem weiteren Schritt führt. Die eine Entscheidung, sie treffen ist das eine, aber das gute darin meinen ist das andere. Ist denn das, was ich für richtig und gut empfinde, am Ende auch das, was meinem Vierbeiner das Leben besser macht, es ihr damit besser gehen wird. Ich setze also meine Annahme, dass etwas gut sein könnte an die erste Stelle. Allein dieser Gedanken ist schon alles andere wie politisch korrekt, geschweige den in der Handlung nach dem Wohlergehen des Tieres.
Wo steht zum Beispiel geschrieben, dass wenn ein kleiner Tumor am Augenlid wächst, man diesen wegoperieren muss, weil das Tier darunter leidet? Ist es denn nicht eher so, zumindest wenn ich mich an all die Dokumentarfilme, unendlichen Bücherreihen, Schulmaterial und vieles mehr zurück erinnere, welche ich mir zu Gemüte geführt hatte - lange bevor ich Hundemama geworden bin – dass sich das Tier an die Umstände anpasst, und zwar egal wie schlecht es ihm geht. Entweder es kommt damit zurecht oder es stirbt.
Und dann kommt der menschliche Gedanke, welcher sich der Natur ja so oder so schon immer widersetzt und verändert das Gesetz im Tierreich. Ich treffe also diese Entscheidung in meiner Welt für das Wohlergehen von Nacho, ich überstimme ihre Welt. Die Auswahl, welche mir zur Verfügung stand, war alles andere wie vielseitig. Da ist ja bereist das erkrankte Auge, auf welchem sie so sehr beeinträchtigt ist, dass sie wohl nur noch Umrisse erkennen kann. Dieselbe Seite lässt sie nichts mehr hören Es ist also genau das Auge betroffen, welches ihr das Sehen noch erlaubt. Der Tumor wächst - und das leider im Eiltempo - das Sichtfeld wird kleiner. Die Diagnose, dass es ein Tumor ist, beeinflusst nicht meine Entscheidungsgrundlage, viel mehr der Gedanke, dass sie auch dieses Auge verlieren könnte, dann kann sie gar nichts mehr sehen! Also, egoistisch wie ich bin, treffe ich diese Entscheidung zu Gunsten von Nacho, damit ihr noch gesundes Auge nicht weiter beeinträchtigt wird.
Was hättet ihr gemacht? Wie hättet ihr euch entschieden? Wann ist eine Entscheidung einen Schritt zu weit und wann ist es einen Schritt zu wenig? Wann sollte man das Tierwohl als das nehmen, was es gewesen ist, bevor wir das Tierreich in Beschlag genommen haben. Meine Gedankenspule dreht sich im Kreis – weiter und weiter – dann sind da wieder diese Spaziergänge, welche mir in den schrecklichsten Momenten die Antwort dazu geben, dass meine Entscheidung nicht richtig gewesen ist…
…denn! Genau deshalb! Sie trägt nun diesen Kragen, das Blickfeld wird noch stärker beeinträchtigt und sie darf sich nun nicht einmal mehr selbst kratzen, geschweige denn, dem nachgehen, was sie am liebsten tut – ihr ganzes Gesicht in der Wiese vergraben um den Mäusen, welche sich darin befinden Angst und Schrecken einzujagen und ihnen hinterher zu buddeln, bis sie irgendwann in China das weite suchen und Nacho ihnen nicht mehr folgen kann. Sie hat nicht einmal 24 Stunden gebraucht sich an den beschissenen Kragen zu gewöhnen, sie hätte sich also auch an den wachsenden Tumor und das Erblinden gewöhnt.
Sie hatte schon damals, als sie durch die schreckliche Hirnhautentzündung ihr Augenlicht und ihren Gehörgang hergeben musste, gelitten - leise und ganz für sich alleine. Sie hat den Gleichgewichtssinn wett gemacht und rennt über Wiesen und durch Wälder, als hätte sie acht wie nur ein Auge und 10 Gehörgänge wie nur noch einen… Was also hättet ihr gemacht? Ich nehme ihr weitere 14 Tage ihres eh schon viel zu kurzen Lebens weg, weil ich dachte, dass diese Operation notwendig ist, weil es ihr danach besser gehen wird. War sie denn so stark überhaupt eingeschränkt, oder hat mir der Tierarzt zu viel Druck gemacht, zu grosse Angst geschürt… ich sollte einfach viel öfter auf Nacho hören, denn sie erzählt mir ihre Geschichten, ich muss nur lernen sie hören zu können. Still und leise. Sie versteht nicht, warum sie diesen Kragen tragen muss, sie kann nicht einordnen, was das soll, aber anstelle von sich zu beklagen, hat sie es angenommen, verbringt ihre Tage damit sich irgendwie zurecht zu finden – ich sage ja, die Natur kommt zurecht, auch ohne menschlichen Einfluss.
Es ist am Ende also immer eine Entscheidung, welche einen oder die weiteren Schritte beeinflussen. In diesem Fall habe ich ihren nächsten Schritt beeinflusst und sie den meinen, denn heute weiss ich, dass ich diese Entscheidungen in Zukunft nicht mehr ohne sie treffen werde. Ja, das Wohl von Nacho ist mir wichtig, es ist das, was ich ihr bieten kann, Sicherheit und Schutz, Liebe und Aufmerksamkeit und eine grosse Portion Spass.
Sie liebt das Leben, mit allem, was ich ihr gebe – es braucht nicht viel um sie glücklich zu machen – also versuche ich zu wachsen in den Eigenschaften, bei denen ich noch etwas reduziert bin. Was also hättet ihr getan? Der Blick in die Augen eures Vierbeiners wird euch in die Irre führen, denn diese Augen sprechen zu euren Herzen, während ihr eine rationale Entscheidung treffen solltet. Wir lernen, für uns und das Leben, für das wir die Verantwortung tragen.
Just me my dog and I.
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